Der unaufhaltsame Fortschritt des Driver-Bullshit-Bingos
Zunächst einmal muss ich zugeben, dass ich mich extrem gerne veräppeln lasse. Die Voraussetzung dafür ist aber, dass es wirklich gut gemacht sein muss. Ein befreundetes Paar hat vor Jahren auf einer Kreuzfahrt eine neue Spiegelreflexkamera gekauft. In Neapel bei einem „fliegenden Straßenhändler“. Darauf muss man erst einmal kommen. Aber sie haben es wirklich getan, denn der Preisunterschied zu der UVP war einfach zu verlockend. Der Ehemann kannte sich aus, der Händler schien seriös. Er war sogar so nett, Ihnen die Kamera in die Originalverpackung zu legen und nach Geldübergabe in einer verknoteten Tragetasche mitzugeben. Ihr ahnt, was kommt? In der Kabine angekommen, war in der Verpackung dann nur ein halber, zerklopfter Backstein … die Bekannten haben es mit Fassung getragen und sich letztlich sehr darüber amüsiert, weil es einfach unfassbar gut gemacht war von dem neapolitanischen Copperfield.
Ähnlich gut wie die Marketingabteilungen der Driver-Hersteller agieren, denen ich seit nunmehr 15 Jahren auf den Leim gehe. Jahr für Jahr stolpert man über gute Schauspieler, die im Namen des Golfschlägerherstellers erklären, dass jeder einzelne der Ingenieure jetzt zum NASA-Wissenschaftler geworden ist. Seitdem ich vor 15 Jahren mit dem Golfspiel begonnen habe, leide ich Jahr für Jahr unter dem latenten Gefühl, nicht mehr die richtige Keule in der Hand zu haben. Ja, ich bin leicht verführbar. Ich liebe gut gemachte Werbung, wenn sie mich bei meinem liebsten Hobby emotional trifft. Und ich falle auch alle 3–4 Jahre darauf herein, aber, so langsam habe ich bei den neuesten Werbungen das Gefühl, dass gleich Oliver Kalkofe im Weltraumanzug ins Bild kommt und diesem ganzen Irrsinn ein Ende bereitet.
Gerade eben erst habe ich wieder dem Verkäufer eines Versandhandels dabei zugesehen, wie er die Vorteile des neuen Drivers eines bekannten Herstellers preist. Faszinierenderweise, ohne dabei selbst loslachen zu müssen. Das hört sich dann ungefähr so an:
„Durch die neue aerodynamische Windkanal-Session, wurde der Titan-Karbon-Lilium-Terranium Kopf auf spektakuläre Weise tropfenförmig mithilfe von KI aus einem einzigen Kronenstück gegossen, weshalb er sogar die Formel 1-Karbonfasern um das 16-fache im maximalen ROI übertrifft. Die höhenverstellbaren Schrauben sind aus einer revolutionären Metall-Platin-Legierung, die den Ballflug auf eine noch nie dagewesene Weise im Parabelflug unterstützt. Wir haben dies mit Ingenieuren der NASA und der Lufthansa in der Wüste Arizonas getestet.“
Klar, das zielt natürlich voll auf die technische Besessenheit eines Mannes ab, nur ich bin gar nicht so technikaffin. Mich bekommen die eher mit den Karbon-Mustern auf dem Driverkopf, der in der Ansprechposition einfach geil aussieht. Oder auch über den Namen. Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb ich eher einen „Stealth“ als einen „Qi10“ kaufen würde. Der Stealth hört sich einfach nach gut getarnten Flugeigenschaften an, während der Qi10 eher nach der noch kleineren Version des Twingo klingt. Aber es ist eben Geschmackssache, wie man sich letztlich zum Kauf verführen lässt.
Fakt ist, dass ich im Laufe der Jahre eher kürzer als länger wurde. Eine Idee wäre es also, dass die Hersteller auf eine Kombination umschwenken würden, die vielleicht zukunftsträchtig erscheint: „Bei jedem Kauf eines XY-Drivers erhalten Sie 3 Stunden Drivertraining bei einem unserer zertifizierten XY-Pros dazu. Es muss gelernt sein, unsere Raketen auch in den Orbit zu steuern, daher erhalten Sie eine Kurzeinweisung in allen Einstellungen und Techniken, die unser neuestes Baby zur maximal erfolgreichen Bedienung benötigt.“
In Deutschland benötigt man ja schließlich auch einen Waffenschein namens Platzreife für die Bedienung dieser Geräte, also sollte eine gefährliche Neuanschaffung auch nie ohne Instruktion erfolgen. Die mittlerweile aufgerufenen Preise würden zumindest 2–3 Stunden Einweisung rechtfertigen …
Stellen Sie sich das mal in der Autoindustrie vor! Sie kaufen seit Jahren das Auto einer x-beliebigen Marke, die Ihnen in der Werbung suggeriert, dass es Jahr für Jahr aerodynamischer, schneller und weiter konstruiert wird. Und auf der Autobahn bleibt es seit 15 Jahren bei 210 km/h und 650 km Reichweite, wenn der Gegenwind gnädig ist. Sie wären nun mal ein mieser Fahrer. So einem Hersteller würde sofort mindestens mit der Bildzeitung und zur Not einem Gang bis nach Karlsruhe gedroht werden, oder?
von A.M.